US-Schriftstllerin berichtet über Kriegsopfer
23.03.2010 – Amman - Riham Fakhoury.
Eine amerikanische Schriftstellerin bringt die gegenwärtige Politische Lage im Nahen Osten ans Licht aus der Perspektive der Kinder, die im Laufe der Geschichte Kriegsopfer waren oder heutzutage Kriegsopfer sind. In einem Interview mit der jordanischen Tageszeitung “Al Rai“ (aus dem Arabischen “Die Meinung“ übersetzt) spricht Weissbach über Ihr Buch “Vergeben und Vergessen: Armenien – Irak – Palästina“ (Through the Wall of fire), das auf Englisch veröffentlicht wurde. In ihrem Werk erzählt sie über das Leben von Kindern, die dem Völkermord, der ethnischen Säuberung und dem Krieg zum Opfer gefallen sind. Konkrete Fallbeispiels in dieser Hinsicht sind der Völkermord von 1915 in Armenien, der angloamerikanische Krieg gegen die Zivilbevölkerung im Irak sowie die palästinensische “Nakba“ (Besetzung der palästinensischen Gebiete 1948 und Gründung des Staats Israel). Die Schriftstellerin konnte die drei Ereignisse hervorragend miteinander verbinden.
Sie erzählt die Geschichte verschiedener Opfer beginnend mit den eigenen Eltern, die den Völkermord in Armenien erlebt haben. Sie berichtet aber auch von der eigenen Erfahrung mit irakischen Kindern während des Kriegs 1991 als sie ins Land an Bord des ersten Zivilflugzeugs der UNO einreiste und Kinder zur Behandlung nach Deutschland mitbrachte.
Das Buch ist Ergebnis einer zweijährigen ununterbrochen journalistischen Feldarbeit. Die Überwindung der gegenwärtigen politischen Realität erfordert ihrer Ansicht nach die Auseinandersetzung mit den geschichtlichen Abläufen sowie die Anerkennung des eigenen Registers im Laufe der Vergangenheit mit seiner ganzen Grausamkeit. Die ausschließlich dafür verantwortlichen politischen Mächte müssen definiert werden und das zeitgenössische geopolitische Denken muss abgelöst werden, um gerechten Frieden schaffen zu können.
Jeder Krieg in der Region ist mit den Interessen der Großmächte und mit dem Schutz der Existenz Israels verbunden, deshalb schlossen sich diese Mächte zusammen zur Beseitigung jedes Regimes, das eine Gefahr für sie darstellen könnte. Beispielsweise werden im Krieg gegen den Irak lediglich amerikanische Opfer gezählt, über die irakischen Opfern fehlt jedoch seit dem Sturz des Regimes jeder Auskunft.
Das Buchkapitel, das sich mit der Schaffung von Frieden befasst, enthält eine Vorstellung des Konzepts von Edward Said und vom israelischen Musiker Daniel Barenboim, die das erste arabisch-israelische Jugendorchester gegründet haben. Die Schriftstellerin schlägt eine vergleichbare Betrachtung zu adoptieren, weil diese Erfahrung zu einer großen Veränderung von Gefühlen und Einstellungen bei den Jugendlichen geführt hat.
Das vierte Kapitel mit dem Titel “Geopolitisches Denken“ erklärt, wie es zu Tragödien wie Kriegen und ethnischen Säuberungen, besonders in Palästina kommen konnte. Erforderlich in dieser Hinsicht ist die Analyse der geopolitischen Sichtweise der Mächte, die den ersten Weltkrieg geplant haben und die geschichtlichen Rahmenbedingungen im breiten Sinne für die von der Öffentlichkeit unbekannten britischen Israeliten geschaffen haben.
Augenmerk des Buchs sind die Kinder Im Irak und in Palästina. “Nur durch die hinreichende Wahrnehmung der ungeheuren psychischen Folgen bei Kindern kann man begreifen, wie Gefühle von Hass, Rache und Vorurteile an künftige Generationen übertragen werden. Dieses Bild könnte so weit gehen, bis die Hoffnung auf ein Lösung aufgegeben wird“, so die Schriftstellerin.
Von Versöhnung ist im Irak und in Palästina fast nichts zu verspüren. Denn Krieg und Völkermord sind für die Bürger beider Länder eine andauernde alltägliche Realität und kein Ereignis aus der fernen Geschichte. Das Buch beschreibt ganz präzise und ausführlich, wie nicht nur Hass an die kommenden Generationen übertragen wird, sondern auch Embargo und tagtägliche Aggressionen, die als Feuerholz für den anhaltenden Konflikt dienen.
Weissbach sieht den Oslo-Friedensprozess als gescheitert, weil er die politischen und wirtschaftlichen Interessen von den USA, Großbritannien und Israel keinen Schutz gebührt. Diese Mächte lehnen die Schaffung eines palästinensischen souveränen Staats mit eigenständiger proprerer Wirtschaft und Industrie stark ab.
Weiterhin sagt Weissbach: “Falls Großmächte wie die USA und die EU Interesse an die Schaffung von Frieden haben, dann sind sie dazu aufgefordert, durch die Karte der wirtschaftlichen Unterstützung Druck auf Israel auszuüben. Die alten roten Linien, dass Israel nicht verurteilen oder zur Rechenschaft gezogen werden darf, müssen für nichtig erklärt werden“.
Die Autorin bringt ihren Optimismus zum Ausdruck, besonders angesichts der Veränderungszeichen in der Denkweise der neuen Generationen. Dazu zähl der Bericht von Goldstone, der normalerweise aufgrund seiner Kritik an die Politik Israels als unzulässig gelten soll. Außerdem erheben sich laute Stimmen israelischer Historiker, die damit begonnen haben, die Politik und Handlungen von Israel im Laufe der Geschichte zu überdenken und infrage zu stellen.
Der Auffassung von Weissbach nach erfordert die Schaffung von Frieden eine Kritik der israelischen Ideologie, die besagt, dass alles erlaubt sei. Sie sieht in der letzen Ankündigung des israelischen Premierministers im Bezug auf den Bau neuer Siedlungen eine Belächlung der Großmächte kurz vor dem Besuch des US-Vizepräsidenten Joe Biden in der Region.
Weissbach ist in den USA als Tochter armenischer Migranten geboren und lebt gegenwärtig in Deutschland. Sie absolvierte ihr Studium am Wellesley College in den Staaten und nahm ihre politische Aktivität am Schillerinstitut auf, das sich der Schaffung eines auf bilateraler wirtschaftlicher Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung der Souveränität von Staaten basierenden neuen und gerechten wirtschaften Systems widmet.
In den 90er Jahren besuchte die Schriftstellerin Jordanien mehrmals und arbeitete zusammen mit hochrangigen Politikern im Rahmen der Bemühungen des “Komitees für die Rettung irakischer Kinder“.