Wurden Bagdads Museen im Auftrag von US-Händlern geplündert?
Mar/22/2011 Archived in:Interviews
Im Folgenden drucken wir ein Interview mit Dr. Donny George Youkhanna, dem Direktor des irakischen Antikendienstes. Das Interview führten Muriel Mirak-Weißbach und Ortrun Cramer.
Frage: Herr Dr. Donny George, können Sie uns zunächst kurz die Ereignisse im Irakischen Nationalmuseum schildern?
Donny George Youkhanna: Seit Ausbruch des Krieges am 20. März haben wir einen Schichtdienst im Museum gehalten, weil wir versehentliche Treffer befürchteten. Immerhin lag gegenüber dem Museum und dem Gelände des irakischen Antikendienstes ein Telekommunikationszentrum. Im Krieg 1991 war dieses mehrfach getroffen worden, und auch dieses Mal erhielt es mehrere Treffer. Wir hatten natürlich nur wenige Mitarbeiter im Museum, die Frauen hatten wir alle aus Sorge um ihre Sicherheit nach Hause geschickt.
Am Morgen des 8. April wurde ich gegen 5 Uhr von Panzergeräuschen und schweren Artilleriegefechten aus dem Schlaf gerissen. Die Kämpfe kamen aus der Umgebung des Informationsministeriums und der Fernseh- und Rundfunk-zentrale, die nur etwa 4-500 Meter vom Museum entfernt sind. Gleichzeitig hörten wir Schüsse aus der entgegengesetzten Richtung, wo der zentrale Busbahnhof lag – wir gerieten also von beiden Seiten in das Schlachtfeld. Ab etwa 11 Uhr kreisten dann Apache Kampfhubschrauber über uns.
Und trotzdem fühlten wir uns sicher, denn die Amerikaner wußten ja, wo das Museum lag, amerikanische und britische Wissenschaftler hatten die Militärs über die genaue Lage informiert. Aber dann sprangen plötzlich einige Kämpfer der Milizen, der sogenannten Fedajin, über den Zaun und begannen, auf die Panzer zu schießen, die sich von beiden Seiten näherten. Das Museum war zu einer Zielscheibe geworden.
In diesem Augenblick entschied Dr. Jabir, der Leiter des Antikendienstes, wir sollten jetzt das Gebäude verlassen, weil es zu gefährlich wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch vier Personen da, nämlich ich selbst, Dr. Jabir, ein Fahrer und ein Archäologe, der auf dem Gelände des Museums und des Antikendienstes wohnt.
Der Haupteingang wurde verschlossen, wir verließen das Gebäude durch die Hintertüren. Wir nahmen das einzige Auto, das außerhalb der Garage geparkt war (alle anderen Autos wurden später gestohlen). Wir wollten zurückkehren, sobald die Kämpfe aufhörten – wir waren ja davon überzeugt, daß dem Museum nichts geschehen würde, weil die Amerikaner es beschützten.
Wir überquerten den Fluß und warteten in einem anderen kleinen Museum. Es war mittlerweile 3 Uhr am Nachmittag, und wir wollten jetzt ins Museum zurückgehen. Wir wollten über die „Brücke des 17. Juli“, auch „Brücke der Medizinischen Stadt“ genannt, fahren, weil sie dem Museum am nächsten liegt. Auf der Brückenmitte kamen uns Menschen entgegen, die uns sagten, die Amerikaner seien auf der anderen Seite und ließen niemanden durch, denn die Kämpfe dauerten noch an. Die Amerikaner hatten das Gebiet um das Museum eingenommen, und wir konnten an diesem Tag nicht zurückkehren.
Dr. Jabir ging zu einem Verwandten und ich blieb bei einer Tante, denn um nach Hause zu gehen, hätte ich auch über die Brücke gemußt. An dem folgenden Samstagabend hörte ich dann von den Plünderungen.
Wir haben später erfahren, daß die Plünderer am Donnerstag in das Museum eingedrungen waren. Was genau am Mittwoch passiert ist, wissen wir nicht, aber an den drei folgenden Tagen wurden das Museum und der Verwaltungstrakt geplündert. Am Sonntag verabredeten Dr. Jabir und ich, zum Hauptquartier der US Marines zu gehen und Schutz für das Museum zu erbitten. Es dauerte mehrere Stunden, bevor wir vorgelassen wurden. Ein Oberst Sarkony der US Marines, verantwortlich für zivile Angelegenheiten, versicherte uns, das Museum müsse geschützt werden. Wir zeigten ihm noch einmal die genaue Lage des Museums. „Wenn Sie jetzt dort hingehen, werden Sie dort gepanzerte Fahrzeuge vorfinden,
die das Museum schützen,“ versprach er. Doch als wir hinkamen, war niemand zu sehen. Erst am Mittwochmorgen kamen Panzer und Soldaten.
Frage: Also eine volle Woche nachdem die US-Armee in Bagdad einmarschiert war?
Donny George Youkhanna: Ganz genau. Ich habe erfahren, daß der Central Command der US-Streitkräfte eine Liste der zu schützenden Objekte herausgegeben hatte; das Museum war angeblich auf Platz 2 dieser Liste, das Ölministerium lediglich auf Platz 16. Einige Journalisten machten Witze darüber, die amerikanischen Truppen hätten die Liste vielleicht falsch herum gehalten, nun ja. Was auch immer, wären die US-Truppen da gewesen, um das Museum zu schützen, wären die Dinge vollkommen anders verlaufen.
Später hörte ich von einem Freund, der auf dem Museumsgelände wohnt, folgendes: Am Donnerstag waren 300 bis 400 Plünderer am Zaun des Museums. Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, er hat sie genannt. Er wußte, daß sie in das Gebäude eindringen wollten; es gab keine Regierung, keine Polizei, keine Sicherheit in Bagdad, also gingen die Leute einfach in die Regierungsgebäude und plünderten. Mein Freund wandte sich an die Besatzung eines in der Nähe stehenden Panzers. Er sprach mit einem Mitglied der Besatzung, der arabisch sprach mit dem Tonfall der Golfregion, vielleicht aus Kuweit, Qatar, wir wissen es nicht. Der Freund bat sie zu kommen und das Museum zu retten, und zumindest den Panzer vor das Museum zu plazieren, um die Plünderer aufzuhalten. Er bekam zur Antwort, man habe angerufen, aber „tut uns leid, das ist nicht unser Auftrag,“ oder „wir haben keinen Befehl“.
Also drangen die Menschen in das Gebäude ein, während gleichzeitig andere den Hinterausgang zerschlugen und einbrachen. Dann wurde die Eingangstür von innen geöffnet.
Als wir später in das Museum kamen, traf uns der Schlag: es sah aus, als wenn ein Hurrikan gewütet hätte. Alles war weg: Computer, Kameras, Theodoliten, Photokopierer, Kühlschränke, Möbel, Fernseher – sogar meine Kaffeemaschine! Und unsere Papiere waren überall zerstreut. Ich hatte mehrere Stöße Dokumente in meinem Büro, die einfach herumflogen. Mein Schreibtisch war zerschlagen, meinen Stuhl haben wir ungefähr 100 Meter entfernt gefunden.
Frage: Purer Vandalismus!
Donny George Youkhanna: Genau. Und bei einem Rundgang durch das Museum stellten wir sofort fest, daß einige sehr wichtige Teile fehlten, die in den Ausstellungsräumen geblieben waren.
Zur Erklärung muß ich hinzufügen: wir hatten etwa einen Monat vor Ausbruch des Krieges fast alle Ausstellungsobjekte in Sicherheit gebracht; das war unsere selbstverständliche Pflicht, um sie vor Beschädigung, Plünderung oder Zerstörung zu schützen. Es blieben nur wenige Stücke, die entweder hoch zerbrechlich oder zu schwer waren, um sie fortzuschaffen. Aber die Plünderer haben es geschafft, sie mitzunehmen.
Frage: Können Sie einige nennen?
Donny George Youkhanna: Die Uruk-Warka Vase, die eine deutsche Expedition nahe der Stadt Uruk gefunden hatte, sie stammt aus der Zeit von 3200 v. Chr. Sie wurde in einem Tempel gefunden und ist ein wundervolles Kunstwerk, sie zeigt die Philosophie der Sumerer und die Entwicklung des Lebens in seinen verschiedenen Stufen.
Frage: Eine Kopie der Vase ist in Berlin, glaube ich?
Donny George Youkhanna: Richtig! Weiterhin gibt es eine kopflose Statue des Sumererkönigs Entemena, sie ist ebenfalls fort. Einige Stücke aus dem Ninkhursag-Tempel in Tell el Obeid, nahe Ur, im Süden, sehr wichtige Bronzereliefs, ein Stück einer bemalten und intarsierten Säule und einige Steinrosetten. Aus der Akkadischen Abteilung der Schausammlung haben wir die berühmte „Barssetki“-Bronzestatue verloren, die fast 160 kg wiegt. Es ist ein wunderbares Kunstwerk, eine der ersten – möglicherweise sogar die größte – Großplastiken, die mit dem „Wachsausschmelzverfahren“ hergestellt wurde. Diese bis heute angewandte Technik geht zurück auf die frühen Sumerischen Dynastien. Der Verlust dieser Statue ist deshalb ein großer Verlust für die Kunstgeschichte.
Was die Plünderer nicht fortschleppen konnten, das haben sie zerschlagen. Zum Beispiel einige Terracotta-Löwen aus Tell Harmal aus der altbabylonischen Zeit um 1900 v. Chr. In einer Vitrine hatten wir eine ganze Reihe von beschriebenen Ziegelplatten aus der Frühzeit bis zur römischen Periode. Neun davon wurden gestohlen, und zwar, wie es aussieht, nicht willkürlich, sondern gezielt ausgewählt. Im assyrischen Saal fehlte die Statue von König Salmanasser III. und eine andere war zerschlagen worden, im Hatta-Saal wurde der Kopf einer Statue gestohlen, drei römische Statuen wurden zerschlagen, die Köpfe haben sie mitgenommen.
Auch der Kopf, einer fast vollständigen in Hatra gefundenen Bronzestatue der Siegesgöttin Nike, ist gestohlen worden. Alle diese Kunstwerke waren in den Ausstellungräumen des Museums.
Dann haben wir gemerkt, daß sie auch in die Magazinräume eingedrungen waren, die im Keller des Museums liegen. Wir wissen noch nicht, was dort gestohlen wurde, unsere Mitarbeiter untersuchen jedes Regal, jede Kiste und vergleichen die Gegenstände mit den Inventarbüchern und den Fotos.
Frage: Haben Sie denn eine vollständige Dokumentation? Zunächst hatte es geheißten, auch die sei verlorengegangen.
Donny George Youkhanna: Nein, wir hatten sie an einem geheimen Ort versteckt. Wir haben jetzt den amerikanischen Fahndern die Inventarbücher übergeben, mit vollständiger Beschreibung, Nummern und Farbfotos aller fehlenden Objekte. Ich selbst hatte nach den Plünderungen von 1991 durchgesetzt, daß ein Fotoarchiv angelegt wurde, damals hatten wir nämlich ein erhebliches Problem, weil wir keine Fotos hatten. Wir haben jetzt in den Inventarbüchern und auf den Indexkarten paßbildgroße Fotos aller Objekte. Dadurch sind wir in der Lage, den amerikanischen Fahndern genaue Informationen zu geben.
Diese Fahnder kamen wenige Tage, nachdem amerikanische Wachen vor dem Museum aufgezogen waren. Sie kamen auf direkten Befehl von Gen. Tommy Franks vom US Central Command. Sie waren uns eine große Hilfe, wirklich! Ihr Vorgesetzter war Col. Bogdanos, ein Kunstexperte. Wir haben von Anfang an zusammengearbeitet, wir haben ihnen Räume in der Bibliothek zur Verfügung gestellt, sie brachten alles nötige Arbeitsgerät mit. Von uns erhielten sie Informationen über alle fehlenden Objekte. Col. Bodganos ist jetzt nicht mehr da, aber sein Team arbeitet noch im Museum. Sie sind auf der Spur mehrerer Objekte, die noch im Land sind und sie entwickeln zusammen mit uns eine vollständige Datenbank, die ins Internet gestellt wird, auf der Homepage des FBI „Lost Material“.
Frage: Das macht es doch aber sehr schwer, irgendeines der gestohlenen Kunstwerke zu verkaufen – es sei denn, an private Sammler?
Donny George Youkhanna: Genau das ist es, was wir fürchten. Wenn die Objekte an private Sammler gehen, dann sind sie für ein bis zwei Generationen verschwunden. Denn die Stücke sind so bekannt, daß es kein Auktionshaus, kein Museum wagen würde, ein Stück aufzukaufen. Die amerikanischen Fahnder versichern uns, daß auf allen Flughäfen und an allen Grenzübergängen weltweit gefahndet wird. Das war zumindest ihre Absicht, und ich vertraue ihnen.
Frage: Es wurde berichtet, daß einige amerikanische Soldaten erwischt wurden, als sie Objekte außer Landes bringen wollten...
Donny George Youkhanna: Das waren hauptsächlich Gegenstände aus einem anderen Museum „Geschenke für den Führer“. Dort waren Geschenke ausgestellt, die Saddam von ausländischen Besuchern erhalten hatte. Beispielsweise dekorierte goldene Kalaschnikoffs, Porträts von Saddam und seinen Söhnen – oder goldene amerikanische Winchester-Gewehre, ein Geschenk Ronald Reagans! Damals hatten sie die besten Beziehungen!
Frage: Wenn wir noch einmal zu den Plünderungen zurückkehren können: Bei einem Vortrag in Mainz sprachen Sie davon, daß es mehrere Gruppen von Plünderern gegeben hat?
Donny George Youkhanna: Ja, genau. Wir haben genau untersucht, was in jenen drei Tagen passiert ist. Wir Archäologen sind wie Fahnder, wir untersuchen alles. Ich selbst hatte die Idee, es müsse mindestens drei verschiedene Gruppen gegeben haben:
Die erste waren ganz normale Plünderer, arme ungebildete Leute, die stahlen, um die Sachen zu verkaufen. Die zweite waren Leute, die in die Magazinräume eindrangen. Es scheint, daß sie genau wußten, wie sie in die Räume gelangen konnten, denn sie haben eine Glastür durchbrochen und eine Eisentür, die noch zusätzlich durch eine Ziegelmauer verstärkt war. Alle diese Schranken haben sie überwunden. Die dritte Gruppe waren Leute, die ins Museum gingen und gezielt vorher ausgewählte Gegenstände mitnahmen. Wir haben Glasschneider gefunden, also kamen sie gezielt in das Museum. Oder ein Schlüsselbund, den fanden wir in der Nähe des Büros der Direktorin, der dem Schlüsselbund für ihren Tresor sehr ähnlich sah. Dieser Schlüsselbund ist nicht von uns, unmöglich, wir kennen unsere Schlüssel. Außerdem habe ich immer wieder darauf hingewiesen, daß sie Kopien von ägyptischen Statuen und andere Kopien stehenließen, d.h. sie wußten genau, was sie suchten. Verstehen Sie? Da waren Leute im Museum, die genau wußten, was sie suchten. Sie brachen auch auf einem besonderen Weg in das Museum ein, nämlich durch ein Fenster, das mit Glasbausteinen vermauert und zusätzlich von außen durch ein Eisengitter geschützt war. Ich persönlich fürchte, daß wir die Objekte, die diese Leute mitgenommen haben, so schnell nicht wiedersehen werden.
Frage: Ein irakischer Mitarbeiter hat im arabischen Fernsehen Bilder von den Plünderungen gesehen, er sagte, die Plünderer hätten sehr organisiert gewirkt, sie hätten die Beute mit Lastwagen fortgeschafft. Und wenn das Fernsehen das schon alles aufnehmen konnte ...
Donny George Youkhanna: Die Armee hätte da sein sollen, um das zu verhindern. Das heißt, sie waren ja da, aber sie haben die Plünderer nicht aufgehalten.
Frage: Professor Sommerfeld schrieb in einem Artikel, die Amerikaner hätten die Menschen geradezu zum Plündern aufgefordert, sie hätten sogar die Tore aufgebrochen. Das hatte er von anderen gehört.
Donny George Youkhanna: Das kann ich nicht bestätigen, aber was ich sicher weiß, weil es ein befreundeter Archäologe berichtet hat ist dies: Er bat die Soldaten um Schutz für das Museum und erhielt zur Antwort: „Wir haben keinen Befehl.“ Das heißt natürlich im Klartext: „Geht und nehmt Euch, was Ihr wollt.“ Was allerdings den Bericht angeht, die Amerikaner hätten das Hauptportal aufgebrochen und die Leute hereingelassen, das stimmt nicht. Das Hauptportal ist intakt, dort ist niemand eingebrochen. Sie kamen durch die Hintertür, und durch die Verbindungstür zum Verwaltungstrakt, den wir, wie beschrieben, gesichert hatten, und durch das Glasbaustein-Fenster.
Frage: Das heißt aber, daß sie gut informiert waren.
Donny George Youkhanna: Das Museum war etwa sechs Wochen vorher wiedereröffnet worden. Vielleicht waren sie dort. Vielleicht waren einige auch im Büro der Direktorin, so daß sie wußten, was für ein Tresor dort stand. Das war nämlich ein altes Modell, das mit einem Schlüssel, nicht mit einer Zahlenkombination, geöffnet werden konnte. So erkläre ich mir den Schlüsselbund, den wir gefunden haben. Den haben sie wohl mitgebracht, denn dieser Tresor war der einzige, der nicht zerschagen worden ist. Alle anderen Tresore wurden geplündert, und alles Geld, was dort lagerte – Gehaltszahlungen für die Mitarbeiter – gestohlen. Die Direktorin ist sehr zuverlässig, sie hatte den Tresor ohne Zweifel verschlossen. Sie hatte nur einen Schlüssel, und den hatte sie bei sich. Sie gehört zu den führenden Keilschrift-Gelehrten und ist absolut vertrauenswürdig.
Frage: Aber wer könnte Zugang zu ihrem Büro gehabt haben? Nur jemand, der mit Archäologie zu tun hat; wir haben in den USA Personen benannt, die ...
Donny George Youkhanna: Möglich.
Frage: Es wäre interessant zu untersuchen, wer alles in der Zeit vor dem Krieg in den Irak gefahren ist.
Donny George Youkhanna: Möglich.
Frage: Es ist alles besonders schlimm, weil sie ja gerade nach den Vorfällen von 1991 alles neu katalogisiert und fotografiert hatten.
Donny George Youkhanna: Natürlich, und nicht nur das. Denn hätten wir nicht alles gesammelt und die wertvollsten Stücke in der Zentralbank gelagert, und hätten wir nicht unsere schätzungsweise 40.000 Exemplare antiker arabischer, islamischer und christlicher Manuskripte an einem anderen sicheren Ort versteckt, so wäre der Verlust für das Erbe der Menschheit unermeßlich gewesen. – Aber auch so ist der Schaden enorm.
Frage: Es gab Berichte, wonach einige Kunstschätze zurückgebracht wurden? Wahrscheinlich eher von der ersten Gruppe?
Donny George Youkhanna: Richtig. Wir haben uns sofort an die Moscheen in der Umgebung um Hilfe gewandt, und sie haben bei ihren Gottesdiensten die Menschen aufgefordert, die Gegenstände zurückzubringen, weil sie wichtig sind für das Land und die Geschichte des irakischen Volkes. Und sofort bekamen wir Objekte zurück. Das war sehr wichtig.
Später haben wir mit den Amerikanern vereinbart, daß über das Radio allen, die Kunstwerke zurückbrachten, Straffreiheit zugesichert wurde, und wiederum kamen Gegenstände zurück, dieses Mal aus weiter entfernt gelegenen Regionen.
Es gibt ein weiteres Beispiel: in der Zeit, als wir ins amerikanische Hauptquartier gingen, als Panzer kamen, zwischen Sonntag und Mittwoch, kamen zwei junge Männer ins Museum, die mich und Dr. Jabir sprechen wollten. Sie sagten, sie seien an dem Donnerstag im Museum gewesen, als die Menschen plünderten. Sie konnten sie nicht aufhalten, es waren zu viele und darüber hinaus waren sie auch alle bewaffnet, mit Maschinengewehren, Messern, Pistolen. Also beschlossen sie, einige Objekte mitzunehmen, um sie zu schützen. Sie würden sie, so versicherten sie uns, zurückbringen, sobald sie davon überzeugt wären, daß das Museum bewacht und vor weiteren Plünderungen geschützt sei. Durch Nachfragen vergewisserten wir uns, daß sie tatsächlich einige Kunstobjekte aus dem Museum hatten. Wir fragten nicht nach ihrem Namen oder nach ihrer Adresse, sondern verließen uns auf ihr Wort, daß sie die Objekte zurückbrächten. Denn warum wären sie sonst zu uns gekommen? Und tatsächlich: Zwei oder drei Tage später brachten dieselben jungen Männer neun sehr wichtige Stücke zurück, darunter die Statue des Königs Salmanasser III. und ein Bronzerelief vom Tell el Obeid im Süden, ein Stück der verzierten und intarsierten Säule sowie einen Teil einer Tür.
Einige Stücke wurden also zurückgebracht. Außerdem erhielten wir Informationen über andere Stücke. Noch am Abend vor meiner Abreise nach Deutschland erhielt ich eine Information von einem entfernten Verwandten, daß Objekte zum Verkauf angeboten würden. Ich schickte ihn zum Museum, um mit den amerikanischen Fahndern zu sprechen, sie würden wissen, was zu tun sei. Ich hörte später in den Nachrichten, die Fahnder hätten etwa 300 Stücke sichergestellt. Ich glaube, das war aufgrund des Berichts meines entfernten Verwandten.
Frage: Wenn wir Sie richtig verstehen, sind jetzt die Museen weitgehend gesichert; ebenso die verbliebenen Bibliotheken. Aber wie sieht es an den Ausgrabungsstätten aus?
Donny George Youkhanna: Das ist ein anderes, großes Problem. Denn schon im Krieg 1991 hatten Plünderer in den entlegenen Stätten, vor allem im Süden, angefangen wild zu graben. Sie haben die Wachen nach kurzem Kampf einfach überrannt. Denn wir hatten nur ein bis zwei Wachen an den einzelnen Stätten eingesetzt, die Plünderer kamen in Gruppen von 300-400 Leuten, noch dazu bis an die Zähne bewaffnet. Damals gelang es mit verschiedenen Methoden, Einhalt zu gebieten; am effektivsten war, daß wir selbst begonnen haben, im Süden zu graben. Ich selbst habe damals eine Gruppe geleitet, die andere stand unter Leitung von Frau Dr. Nawalah Mutawalli, Direktorin des Museums. Damals hörten die Plünderungen auf. Im darauffolgenden Jahr hatten wir sechs Grabungsteams beschäftigt. Diese Aktivitäten wurden jetzt durch den neuen Krieg unterbrochen.
Frage: Wann haben Sie damit begonnen?
Donny George Youkhanna: 1999 fingen diese „Präventiv-Ausgrabungen“ oder „Rettungs-Grabungen“ an. Ich habe damals 15 Wächter angestellt, die in Schichten rund um die Uhr Dienst taten. Dadurch konnten wir diese Stätten schützen; ich muß allerdings zugeben, daß die Plünderer einfach nur die Ausgrabungsstätten wechselten und anderen Ortes weitermachten.
Aber nach diesem Krieg, in der chaotischen Lage ohne Regierung, ohne Sicherheit, ohne alles, sind die Plünderer an die alten Stätten zurückgekehrt. Wieder buddeln Hunderte in den großen sumerischen und babylonischen Stätten. Sie graben Objekte aus und verkaufen sie, jenseits der Grenzen in Kuweit, Saudi-Arabien, Jordanien oder auch im Iran oder in der Türkei. Kurz: es ist ein echtes Drama in den archäologischen Stätten.
Frage: Im deutschen Fernsehen wurden kürzlich Plünderer bei Raubgrabungen gezeigt. Gibt es denn keinen Schutz von Seiten der Briten oder Amerikaner?
Donny George Youkhanna: Anfänglich haben wir versucht, eine Art Patrouille zu organisieren. Die Koordinaten der Stätten haben wir den Amerikanern übermittelt, die dann auch einige Kontrollflüge mit Hubschraubern unternahmen. Prof. McGuire Gibson aus Chikago hat einen solchen Flug begleitet. Sie sahen Hunderte, die dort gruben. Prof. Gibson hat Aufnahmen davon gemacht. Einige dieser Plünderer wurden vertrieben, aber was nützt es, sie am Tage zu vertreiben, wenn sie nachts doch wiederkommen? Prof. Gibson berichtet, die Verantwortlichen in der Zivilabteilung hätten zugesagt, regelmäßige Hubschrauber-Patrouillen zu fliegen; das gilt zumindest für die wichtigsten Stätten im Süden. Sie bemühen sich, das muß ich zugeben.
Frage: Wieviele Stätten gibt es denn? Es müssen zehntausende sein?
Donny George Youkhanna: Ja, wir haben sogar mehr als 10.000 registrierte Stätten. Aber immer, wenn wir uns auf die Suche machen, finden wir neue. Zu diesen Stätten gehören riesige Städte, darunter beispielsweise die jetzt geplünderte Stätte Tschocha, das ist Umma im Süden, mit einer Ausdehnung von 8 qkm. Meine Stätte Umm al-Agarib ist 5 qkm groß. Ähnliches gilt für die anderen, Isin, Larsa, Shmed und Bsech und Al Madinah, sowie Al Naseriya. Das sind riesige Stätten, in denen auch deutsche Expeditionen gegraben haben. Und heute sind die Plünderer da, und niemand hält sie auf.
Frage: Sie erwähnen, daß die gestohlenen Objekte jenseits der Grenzen verkauft werden. Trifft es zu, daß die Grenzen auf der irakischen Seite nicht durch die Amerikaner und Briten kontrolliert werden?
Donny George Youkhanna: Das stimmt, das habe ich selbst gesehen, und zwar zweimal. Ich war zuerst in London, und jetzt, bei meiner Reise nach Deutschland, gab es keine Kontrollen; der Paß wurde kurz angesehen, man mußte den Kofferraum öffnen und die Motorhaube, aber das war alles. Und Journalisten werden überhaupt nicht kontrolliert.
Frage: Das stimmt, es gab Berichte über einen Journalisten, der eine Menge Kriegsbeute bei sich hatte ...
Donny George Youkhanna: O nein, nicht nur einer. Schon als ich am 27. oder 26. April die Grenze überschritt, waren 12 Journalisten an der jordanischen Grenze ertappt worden. Sie alle hatten entweder Antiquitäten, oder Dokumente, darunter Regierungsdokumente, geschmuggelt.
Frage: Man fragt sich, wie das alles möglich ist, denn es hat doch ein Treffen bei der Unesco gegeben, und später eine Interpol-Konferenz, an der US-Justizminister John Ashcroft teilgenommen hat... Es ist ein so großes Land, und man kann die Grenze auch jenseits der Kontrollpunkte überqueren.
Donny George Youkhanna: Das stimmt, aber selbst an den offiziellen Grenzübergängen wurden die Antiquitäten unkontrolliert außer Landes gebracht. Als ich aus London zurückkam habe ich die Grenzwachen aufgefordert, die Journalisten zu kontrollieren, denn einen halben Kilometer von hier nehmen die Jordanier Journalisten fest, die Antiquitäten schmuggeln.
Frage: Also die Jordanier nehmen sie fest?
Donny George Youkhanna: Ja, die Jordanier. Bei den anderen Grenzen, etwa zur Türkei, nach Syrien, Kuweit oder Saudi-Arabien, wissen wir es nicht so genau, aber ich weiß, daß die Jordanier sehr genau kontrollieren.
Frage: Es gibt Berichte, daß die internationalen Schmugglerringe in Kuweit und Saudi-Arabien sehr stark repräsentiert sind. Ich will damit nicht sagen, daß es sich um Kuweitis oder Saudis handelt, aber die Routen führen durch diese Länder. In diesem Zusammenhang wurde auch Israel erwähnt.
Donny George Youkhanna: Ja. Wir wissen auch, daß die irakische Polizei seit 1991 mehrere Personen festgenommen hatten, die aussagten, sie wären von Europäern in Saudi Arabien angestiftet worden, bestimmte Kunstschätze beizubringen.
Frage: Können Sie noch etwas genauer beschreiben, wie diese illegalen Geschäfte arbeiten? Denn man braucht ja ein riesiges, weltweites Netzwerk. Man muß wissen, wer die Sammler sind, aber man braucht doch auch die Kontakte zum Militär, man braucht politischen Schutz und was nicht alles.
Donny George Youkhanna: Ganz genau!
Frage: Es sind Strukturen wie beim Drogenhandel.
Donny George Youkhanna: Ich glaube, es gibt eine große Mafia von Antiquitätenschmugglern. Man findet sogar im Internet Angebote von Irakern, die Kunstschätze feilbieten, die dann in Amman abzuholen wären. Und außerdem hören wir von Personen, die in irakischen Städten Gegenstände feilbieten, die sie von den Raubgräbern gekauft haben – das sind keine Iraker, sondern Europäer.
Was mit den Antiquitäten geschieht, ist wirklich traurig, denn sie gehören doch der ganzen Menschheit. Sie sind ein Erbe für jeden einzelnen Menschen auf der Welt. Und sie werden geschmuggelt und massakriert. Wenn man ein archäologisches Fundstück vom Fundort entnimmt, reißt man sie aus dem Zusammenhang und gerade der ist für den Archäologen entscheidend wichtig. Es ist, als risse man ein Wort aus der Seite eines Buches, dann verliert das Wort seine Bedeutung.
Ein Ausgrabungsort ist wie ein Buch. Wir graben Seite für Seite aus und lesen Seite für Seite. So erhalten wir vollkommene Information über die gesamte Geschichte der Stätte. Aber wenn geplündert wird, wenn hier ein Loch gegraben wird und dort ein anderes, Gegenstände herausgebuddelt und weggebracht werden, ist es sinnlos.
Frage: In einem Ihrer Interviews erwähnten Sie, daß bisher lediglich Hatra von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt ist, während Babylon, Niniveh, Bagdad, Ur und viele andere noch auf Anerkennung warten. Im Juni soll nun das verantwortliche Unesco-Komitee bei einer Sitzung in China über die Aufnahme befinden. Was würde das bedeuten?
Donny George Youkhanna: Es ist sehr wichtig. Tatsächlich ist bisher nur Hatra als Weltkulturerbe anerkannt, obwohl wir mehrere Anträge gestellt haben. Noch vor zwei Jahren haben wir Anträge gestellt, aber schon damals wurde uns von der Unesco wenig Hoffnung gemacht. Ich selbst habe das Dossier für Ashur zusammengestellt, weil die Stätte in Gefahr ist. Wir haben damals in Bagdad ein Komitee der Unesco empfangen. Mit Hilfe einer Dame von der Unesco und Arnulf Hausleiters aus Deutschalnd haben wir die Dokumentation vervollständigt und an die Unesco geschickt. Inzwischen habe ich von Prof. Munir Bushnaki, dem stellvertretenden Unesco-Generalsekretär gehört, daß Ashur wahrscheinlich bald anerkannt wird. Wenn dem so ist, dann fühlen wir uns bestärkt, Anträge für die anderen Stätten zu stellen.
Frage: Was bedeutet das dann für die Sicherheit der Stätten?
Donny George Youkhanna: Für die Sicherheit sind die Irakis verantwortlich, aber wir werden Hilfe von den Unesco-Experten bekommen, so daß die Konservierung, Ausgrabung und Öffnung der Stätten für den Tourismus ermöglicht werden. Es betrifft das internationale Kulturerbe. Und im Falle eines Krieges
– den wir natürlich alle nicht wünschen – würden diese Stätten nicht angegriffen.
Es ist wichtig, daß die Stätten in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen werden.
Frage: Hat es denn in Archäologen- und Wissenschaftlerkreisen eine Diskussion über die z.B. vom American Council for Cultural Policy vorgeschlagenen Gesetzesänderungen gegeben?
Donny George Youkhanna: Das ist eine wichtige Frage. Die irakischen Antiquitäten-Gesetze …
Frage: Die aus der Zeit vor Saddam Hussein stammen …
Donny George Youkhanna: Natürlich! Das Antiquitäten-Gesetz stammt aus dem Jahr 1936, mit einigen Änderungen bis 1973/74. Haben Menschen das Recht, die Gesetze anderer Länder zu ändern? Das ist doch unmöglich!
Frage: Immerhin haben sie gerade die Regierung eines anderen Landes geändert …
Donny George Youkhanna: Die Regierung, nun gut, das sind Menschen, die Länder regieren, aber diese Gesetze sind zum Wohle der Menschen erlassen worden, das ist etwas ganz anderes.
Ich weiß, daß es Diskussionen gibt, die Bestimmungen zu lockern, so daß man Kunstschätze außer Landes bringen kann. Ich halte das für unmöglich! Außerdem wird es niemand akzeptieren. Wissen Sie warum nicht?
Ich kann Ihnen sagen, welche Wirkung die Plünderung des Museums und der Antiquitäten auf das irakische Volk hatten. Ich habe viele Leute getreffen, vom Metzger, zum Lebensmittelhändler, zum Gemüsehändler, bis hin zum Universitätsprofessor ... und sie alle kamen zum gleichen Schluß: was mit dem Land passiert ist, nun ja, so etwas kann passieren, aber was mit dem Museum passiert ist, das akzeptiert niemand. Denn hier wurde das Herz des Volkes getroffen! Deshalb ist es unmöglich die Gesetze zu ändern. Würde man den Irakern sagen: „Seht mal, die Amerikaner wollen die Antiquitäten-Gesetze ändern, so daß Eure Antiquitäten ins Ausland exportiert werden können. Was sagt Ihr dazu?“ Ich sage: dann gäbe es im Irak eine neue Revolution, gegen die Amerikaner! Aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Gesetze geändert werden.
Frage: Es wurde berichtet, daß der Schatzmeister des ACCP am 24. Januar im Pentagon empfangen worden sei: Mit Unterstützung von Philippe de Montebello vom Metropolitan Museum in New York schlug er vor, internationale Teams sollten an den Ausgrabungen im Irak beteiligt werden.
Donny George Youkhanna: Aber das ist normal!
Frage: Was aber nicht normal ist, daß die Funde dann exportiert werden können. Eine Exportlizenz, sozusagen.
Donny George Youkhanna: Nein, ich kenne die Überlegungen, aber das ist unmöglich. Denen geht es nicht um die Wissenschaft, denen geht es um den Profit, um Geld! Nach den bisherigen Bestimmungen gingen die Fundstücke zur Hälfte an die Iraker, zur Hälfte an die beteiligten Expeditionen, und die kamen entweder vom Britischen Museum oder aus Berlin, oder von Universitäten. Aber das wollen sie nicht mehr. Sie wollen, daß die Fundstücke verkauft werden. Und keine Expedition, die etwas auf sich hält, wird jemals etwas ausgraben und es dann zum eigenen Nutzen verkaufen. Denn das ist Plünderei, Diebstahl! Und dieser Diebstahl soll legalisiert werden, damit sie Profit machen können, es ist entsetzlich!
Ich bin sicher, daß kein Iraker das akzeptieren wird. Und ich bin auch sicher, daß niemand sonst auf der Welt das akzeptieren wird. Stellen Sie sich vor, Sie sind in Deutschland und da kommt eine ausländische Expedition, um zu graben. Soweit ist es im Einklang mit dem Gesetz. Aber würden Sie akzeptieren, daß sie die Antiquitäten außer Landes schaffen? Niemals!
Frage: Diejenigen, die sich in den USA dafür einsetzen, sind natürlich nicht nur am Irak interessiert, sie wollen auch nach Ägypten, in den Iran – es ist eine großangelegte Operation.
Donny George Youkhanna: Sie wollen Geld. Was sie über das Erbe, über die Gesetze sagen, ist in meinen Augen alles Unsinn. Sie wollen mit diesen Objekten riesige Gewinne machen.
Wenn es darum geht, die Schätze in Ausstellungen zu zeigen, das läßt sich arrangieren, das machen wir ständig. Wir stellen die Meisterwerke im Museum aus, wo jeder sie betrachten kann. Wir veröffentlichen Bücher, die jeder lesen kann. Aber darum geht es ihnen nicht. Ihnen geht es um das Geld, das sie mit diesen Antiquitäten machen können. Es ist eine Schande!
Frage: Es ist ein Verbrechen!
Donny George Youkhanna: Jawohl!
Frage: Ich möchte Sie zum Schluß noch um einen Kommentar zu Ihrer Deutschlandreise fragen. Erwarten Sie Hilfe von deutscher Seite, haben Sie eine Botschaft an die deutsche Öffentlichkeit?
Donny George Youkhanna: Ich habe mich in Deutschland sehr wohl gefühlt, denn wir haben eine lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen den Irakern und den Deutschen an verschiedenen Ausgrabungsstätten. Viele unserer Archäologen sind in Deutschland ausgebildet worden. Die Generation unserer Lehrer hatte in Deutschland studiert und sie wurden zu Pionieren an den Universitäten in Bagdad und Mosul. Wir hatten immer deutsche Kollegen bei unseren Ausgrabungen, in Uruk und anderen Stätten, bei allen unseren Symposien und Konferenzen hatten wir deutsche Freunde zu Gast. Und Iraker waren in Deutschland auf Konferenzen oder beteiligt an wissenschaftlichen Studien. Wir haben auch Ausstellungen organisiert, in München, Hildesheim, Aachen und Hamburg. Unsere Beziehungen zu den deutschen Kollegen sind ausgezeichnet.
Und wir haben von unseren Brüdern – ich nenne sie Brüder – den deutschen Archäologen viel Hilfe bekommen, und die erwarte ich jetzt auch von der Regierung.
Ich war einen Tag in Berlin, im Auswärtigen Amt und ich habe mich mit Mitgliedern des Kulturausschusses im Bundestag getroffen, zusammen mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Sie wollten von mir einen Lagebericht hören. Vor dem Krieg hatten wir Gespräche über die Lieferung eines wissenschaftlichen Labors geführt; heute brauchen wir das Labor, denn unseres ist zerstört worden.
Frage: Gibt es noch etwas, das getan werden könnte? Etwa von Seiten der Unesco oder Interpol, oder von der Allgemeinheit?
Donny George Youkhanna: Nun, ich möchte sagen, jedermann sollte nach diesen Antiquitäten Ausschau halten, und „Nein“ sagen zu den Plünderern und Schmugglern. Diese Antiquitäten sollten in das Irak-Museum zurückkehren, dort gehören sie hin. Das Museum steht jedem offen, jeder kann kommen, um sie zu sehen. Es ist ein Verbrechen, wenn ein Mensch solche Kunstschätze besitzt, sie in einem Keller aufbewahrt, wo nur er sie sehen kann, und die Menschheit dieser Kunstwerke beraubt.
Frage: Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.